S. 243 Hubert Prachensky: Architekturgebäude, Campus Technik, Innsbruck (1969(2011)

S. 246 Bauaufnahme Campus Technik, Innsbruck (2011/2012), Architekturgebäude 1. OG/Süd

S. 250 Bauaufnahme Campus Technik, Innsbruck (2011/2012), Architekturgebäude 1. OG/Nord

S. 250 Bauaufnahme Campus Technik, Innsbruck (2011/2012), Architekturgebäude 2. OG/Nord

S. 251 Bauaufnahme Campus Technik, Innsbruck (2011/2012), Architekturgebäude 3. OG/Süd

S. 253 Bauaufnahme Campus Technik, Innsbruck (2011/2012), Umgriff

Aufsatz
Neuferts Oktametersystem – eine neue „Regola“ im 20. Jahrhundert

In: architectura, Zeitschrift für Geschichte der Baukunst 46 (2/2016)

Anfang der 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts stellte Ernst Neufert mit dem Oktametersystem ein Maßsystem vor, für das er universelle Gültigkeit einfordert. Dabei kann das Oktametersystem als konsequente Weiterführung seiner, in der überaus erfolgreichen Bauentwurfslehre von 1936 begonnenen, Ordnungsversuche verstanden werden. Mit dem Oktametersystem werden diese in ein Maßsystem eingepasst. Demnach kann jedes notwendige Maß als Vielfaches bzw. Teilung der Grundeinheit 12,5 cm (ein Achtelmeter) ausgedrückt werden. Sobald sich nun das Entwerfen, die Raumprogramme und die Werkstoffe an die vorgegebene Maßordnung halten, lässt sich der Bauprozess rational und rationell gestalten.

Die Frage ist nun, inwieweit darüber hinaus mit dem Oktameterstem ein Regelwerk im Sinne vitruvianischer Ordnung vorliegt. Kann in den Mechanismen der Formbildung die das System betreibt Architektur lesbar werden? Ist das Oktametersystem in der Vermittlung von Sinn bzw. Kritik brauchbar, oder beschränkt sich seine Wirksamkeit lediglich auf die Vereinfachung von Bauabläufen, indem es eine Normierung, Standardisierung, Serialisierung architektonischer Produktion betreibt?

Nach Neuferts Ausführungen zum Oktametersystem in der Bauordnungslehre von 1942 erscheint dieses tatsächlich wenig geeignet den Anspruch regelästhetischer Verbindlichkeit einzulösen. Neuferts Bemühungen sein System als Fortschreibung humanistischer Traditionen vorzustellen und so als Vitruvianische Konzeption zu legitimieren zeigen sich im Verlauf seiner weiteren Ausführungen schnell als Überredungsstrategien. Worum es ihm zu gehen scheint, sind Vereinfachungen im Planungs- wie Bauprozess. Auch die Beispiele die er zeigt bestätigen diese pragmatischen Zielsetzungen.

Damit soll jedoch die Auseinandersetzung mit dem Oktametersystem als Regel nicht enden. Wenn auch noch wenig untersucht, erfreute sich Neuferts System einer weiten Verbreitung. Als ein Beispiel kann am Baufakultätsgebäude der Universität Innsbruck – einem Systembau der 70er-Jahre – gezeigt werden wie konsequent Neuferts Oktameterteilung bis in die Detailplanung hinein als universeller Maßbezug angewandt wurde. Dabei wird deutlich, dass hier über das rein Utilitaristische hinaus Neuferts Regel – indem sie Architektur lesbar macht – sehr wohl in der Lage ist die Formgenese in einen Akt kulturellen Handelns zu überführen.

 

Leseprobe: https://doi.org/10.1515/ATC-2016-2006